Beurteilung von Bindungseigenschaften in der Wirkstoffforschung
Julienne Regele | Calliste Scholl
January 8, 2024
Einführung in die ITC
Das gängigste Hilfsmittel zur Charakterisierung der Bindung in der späten Entdeckungsphase der Arzneimittel-entwicklung ist die isotherme Titrationskalorimetrie (Isothermal Titration Calorimetry, ITC). Die isotherme Titrationskalorimetrie ist ein hochauflösendes Verfahren zur vollständigen Charakterisierung von grundlegenden chemischen Eigenschaften einer Bindungswechselwirkung. Dazu wird die Wärme, die bei der Interaktion der Moleküle freigesetzt oder aufgenommen wird, mit einem Kalorimeter gemessen. Die Temperaturbedingungen lassen sich steuern, um die Temperaturabhängigkeit von Bindungen zu verstehen. In diesem Blog erfahren Sie mehr über Messungen der isothermen Titrationskalorimetrie und dazu verwendete Geräte.
Die isotherme Titrationskalorimetrie in späten Stadien der Wirkstoffforschung
In der Wirkstoffforschung wird der Charakterisierung des thermodynamischen Profils der Ligand-Protein-Bindung seit einiger Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Dies liegt vor allem daran, dass dieses Profil einen mechanistischen Einblick in die molekularen Wechselwirkungen liefert, die die Affinität eines Liganden für sein Ziel bestimmen.1 Das Hauptziel in der späten Phase der Wirkstoffforschung besteht darin, die Stärke der Bindung zwischen Ligand und Protein zu bewerten und zu verbessern. Bei der Analyse der Bindungsaffinität verschiedener Verbindungen ist es wichtig, die auftretenden Energieänderungen zu verstehen, da sie als treibende Kraft für die Bindung des Liganden an sein Ziel wirken. Mit der isothermen Titrationskalorimetrie lassen sich insbesondere die Enthalpieänderungen und die Bindungsaffinität einer Reaktion messen, sodass man wissenschaftlich bestimmen und optimieren kann, welche Verbindungen das größte Potenzial für die Verwendung als Wirkstoff haben.
Der erste zu berücksichtigende Messparameter ist die Enthalpie (ΔH). Der Gibbs-Gleichung nach wirken sich Enthalpieänderungen direkt auf die Wahrscheinlichkeit und Effizienz der Ligandenbindung aus. Bei einer Kandidatenverbindung mit einer enthalpisch günstigeren Bindungssignatur lohnt sich daher eine Weiterentwicklung, und die Hit-to-Lead-Optimierung sollte auch darauf abzielen, die Bindungsenthalpie zu verbessern.2 Ein Grund dafür ist, dass es schwierig ist, Entropie-Eigenschaften in späten Stadien der Wirkstoffforschung zu verbessern, da lipophile Gruppen hinzugefügt werden, um die „Druggability“, d. h. die Bindungsfähigkeit der untersuchten Proteinbindungsstelle an eine arzneistoffähnliche Struktur, zu steigern.1 Daher empfiehlt es sich, etwaige enthalpische Verbesserungen im Voraus zu berücksichtigen.1 Ein weiterer Grund ist, dass ein negativerer Wert der Enthalpie bedeutet, dass sich spezifischere Wechselwirkungen zwischen dem Liganden und seinem Ziel bilden, was erhebliche Auswirkungen auf die selektive Verbesserung eines Kandidaten hat.1 Um zu bewerten, welcher Ligand enthalpischer günstiger ist, wird ein Verhältnis der Enthalpie zur Molekülmasse des Liganden (als enthalpische Effizienz bezeichnet) verwendet.1 Zusammenfassend liefert die Messung der Enthalpie durch die isotherme Titrationskalorimetrie wichtige Hinweise, um geeignete Liganden als Kandidaten für weitere Modifikationen zu finden.
Der zweite Messparameter, der zur Betrachtung herangezogen werden kann, ist die Bindungskonstante (KD). Die KD sagt aus, wie stark oder schwach die Wechselwirkung ist; die isotherme Titrationskalorimetrie kann Bindungsaffinitäten im nanomolaren bis millimolaren Bereich direkt messen. Wenn die Wechselwirkung im subnanomolaren Bereich liegt, können Tests mit kompetitivem Austausch durchgeführt werden, um die KD der Komponente mit stärkerer Bindung zu bestimmen. Neuere Fortschritte bei der Analyse der isothermen Titrationskalorimetrie haben die Bestimmung der kinetischen Parameter, der Dissoziationsgeschwindigkeit (ksub>off) und der Assoziationsgeschwindigkeit (ksub>on) ermöglicht. Messungen dieser kinetischen Parameter können wichtig sein, um den Lead- oder Kandidatenwirkstoff mit der gewünschten Verweilzeit sowie überlegenen Bindungsaffinitäten zu finden.1
Technische Vorteile der isothermen Titrationskalorimetrie
Wie bereits erwähnt, bietet der Einsatz der isothermenTitrationskalorimetrie im späten Stadium der Wirkstoffforschung viele technische Vorteile. Erstens ermöglicht die isotherme Titrationskalorimetrie die Messung aller Bindungs- und thermodynamischen Parameter, einschließlich Enthalpie und Entropie, in ein und demselben Experiment. Zweitens handelt es sich um eine empfindliche Methode, mit der neben der Quantifizierung verschiedener Bindungskonstanten einer Reaktion auch komplexe intermolekulare Wechselwirkungen mit mehreren Bindungsstellen untersucht werden können. Drittens ermöglicht die isotherme Titrationskalorimetrie Messungen ohne Farbstoffe oder Marker bei lediglich geringen Probenmengen. Nicht zuletzt erfordert diese Methode außerdem minimale Entwicklungs- oder Optimierungsschritte, was sie zu einem datengesteuerten Werkzeug macht, das zur Validierung verschiedener Rechenmodelle eingesetzt werden kann.
Beurteilung der Bindungseigenschaften in der Wirkstoffforschung
Insgesamt ist die isotherme Titrationskalorimetrie ein leistungsstarkes und gängiges Werkzeug, mit dem die freigesetzte und absorbierte Wärme gemessen werden kann, wenn Moleküle miteinander interagieren. Dies ist vorteilhaft in der späten Phase der Wirkstoffforschung, da die gemessenen thermodynamischen und kinetischen Parameter Aufschluss darüber geben, welche Liganden das größte Potenzial für die Weiterentwicklung und Wirkstoffanwendung haben. Insgesamt liefert die isotherme Titrationskalorimetrie wichtige Erkenntnisse, die andere Methoden nicht bieten können.
Literaturhinweise
- Su, H., & Xu, Y. (2018). Application of ITC-Based Characterization of Thermodynamic and Kinetic Association of Ligands With Proteins in Drug Design. Frontiers in Pharmacology, 9, 1133. https://doi.org/10.3389/fphar.2018.01133
- Ladbury, J. E. (2004). Application of Isothermal Titration Calorimetry in the Biological Sciences: Things Are Heating Up! BioTechniques, 37(6), 885–887. https://doi.org/10.2144/04376TE01
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